system kältetrauma
system kältetrauma
akt I : gegenwartsblicke
durch hüllenlose steinwüsten
metropole in nacht getüncht
impressionistische farbflecken
flackern auf & brennen durch
der graue nachtschwärmer –
verlassen von ihrem du & es
& seinem ich im wir alle sie
kalte arme mit eisernen klauen
kratzen an seiner weißhaut &
reißen kleine spalten in steinquader
betonstahlriesen umzingeln
& beengen seitumwärts
die kleinen organismenschen
höhnende augenmengen starren
& tiefschwarze mäuler wispern
woher kommt das eis im geiste?
nebellungen
schattentanz & nebelgeister
neonlichter zerstechen die iris
werfen schleier über die welt
streifzüge unter glitzerketten
hohle egospiegel streifen
durch düsterdunkle gassen
nadelarme lungern leise
warten still auf antwort –
die frage wurde nie gestellt
rauchschwaden aus unter –
welt des gestern morgen
greifen heute nach den dürren
totentänzer balancieren
auf den eisenbalken die das
ewig endliche bedeuten
kleine wolfsjungen fressen –
reißen andersfleisch entzwei –
zerfetzen das bin ich nicht!
rotaugenblut ausgespuckt
aus napalmlungen tiefster
grund – der tod des zeitlich
gebückt unter wenigkeiten
hasten hoffen glaubensmüde
auf riß im zeitraumkontinuum
welpenleichen vom rattenkönig
zerfleischt – sieg über uns andere
nebeltanz & schattengeister
geschwür
poesiegeschmier
an dreckigen
u-bahn-schächten
künstlerpack
im dunkelgrauen
untergrund
zukunftsvisionen
an rotbraunen
eisenbahnwagons
stahlkolosse –
blechgeschosse
& genosse angst
im augenweiß
wo ist leben?
wo ist wahrheit?
an geschlachteten
litfassäulen –
im milchigen leib der
nackten hure –
in junkienadeln –
weinflaschen –
bücherleichen?
poesiegeschwüre
im dunkelgrauen
untergrund
flucht nach
die götterbauten sind
leergefegt – oxidierter
sakralmüll & zersetzende
gebetsbücher
die konsumtempel sind
aufgefüllt – glamouröser
modemüll & rasante
extaseträger
die wissenräume sind
vergammelt – statische
nichtdenker & lethargische
nichtlenker –
der wollende
seht frei –
zum abschuß –
flucht nach
zurück
akt II : zukunftsblicke
wegfährten
einbahnstraßen
keine wiederkehr
nur wiederholung
im kreisverkehr
gefangen
erkenne mich selbst
nicht mehr
habe mich verloren
was soll ich tun?
brandstifter der ewig brennenden fragen
moral und ethik und gewissen
puppenartige tänzer zwischen den sphären
hier und jetzt und gestern
weggefährten auf dem gang ins sanatorium
gut und böse und gesetz
grüne lunge atemlos
blattwirrwarr
astgeflecht
motorheulen
treibgasluft
grün
ein abnormer
punkt
auf dem
stadtplan
gedankliche nichtexistenz
eine parkbank –
altblätternde farbe
ohne kenntnis ihrer selbst
zwei buchen –
flankenartig engend
spinnen knorrige netzdächer
ich sitze –
vergessene bucht
der absoluten melancholie
weites feld –
karge trostlosigkeit
begrenzt durch nebeliges nichts
nicht weitergehen
nicht zurück
stehend im jetzt
zurück vergeht
vorwärts lockt
konfuse quälerei
meine haut
beinahe eisig erstarrt
dunkelblaue
greifinstrumente streiken
hoffen auf das leidlose ich
ein sitzender –
gesenkter hirnschrein
ohne kenntnis seiner selbst
zwei geister –
flankenartig engend
spielen mit zu großem einsatz
wegloses irren menschlicher perfektionen
panik
rausch panik
panik rausch
rausch
ziel
außer augen
augen außer
augen
ziel
los!
gruß des hoffnungsschlägers
ausgespuckte weisheitstürme –
heimatlos & kampf ums hier
thront auf einem müllberg stolz
der mann der stets nur lebte
nicht wer bin ich nicht
wer war ich nicht
wer soll ich sein
was soll ich tun
nichts als nichts
das dunkle ziel – das nebellos
gezogen
nicht das nichts
das moderpack – im treibsand
verloren
nicht denken
was soll ich denken
nichts als denken nichts
als weitergehn und nichts
als nicht umdrehen
nicht denken
spiegelbildnis
das kleine loch
in einer mauer aus grell
eröffnet mir unterschlupf in schwarz
so spärlich morbid
in perfider art des grauens
im hirn des eisdenkers
spiegel-
bildnis eines egolosen ichs
wasseruhr als zeitobjekt
der immer größer werdende
eisbrocken auf dem grauen boden
zeugnis der vergangenheit
ich bin nichts
mein leben ist nichts wert
was bin ich denn im steten fluß
der aktionen und reaktionen
und revolutionen und aggressionen
und multiideologischen kopulationen?
mein leben ist ein eisobjekt
im schmelzen begriffen
zum schmelzen auserkoren
ich bin die schmelzende seele
ich bin eis
eine skulptur
aus
eis
schattenwand
komm zu mir
reiche mir die hand
und führe mich in die schatten
nimm mich mit
tod – teufel – frau in weiß
ein kuß nur und ich sterbe gern
ein kalter gruß
absolution für leben
der eingang in die vergessenheit
starre
es ist
so kalt
hier so
kalt und
es ist nicht
es ist wie
gletscher
eis das
langsam
fließt
doch
friert
es ist
starre
kälte weiß
nichts mehr fühlen
können – wollen –
müssen
blauschwarze ober-
fläche – haut
gestählt
gedankenkreis durch-
brochen – kein
spiralband
nur mehr eiskristall
gedankenfraß
hauchstille
die frau in weiß hat
mich erhört &
ich warte
nicht mehr lange auf
das leidlose Ich
es ist nicht
es war
wenn die kälte nicht mehr weiter weiß
© jh 1997-2003
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