Helsinki 2025 – Tag 1 – Jätkäsaari
Manchmal ist Death Metal durchaus lehrreich. Im Falle unserer Reise nach Helsinki hat mich die finnische Band Amorphis bereits 1994 darauf hingewiesen, daß sich „Land der tausend Seen“ auf Finnland bezieht, daß das Kalevala ein Epos finnischer Mythologie ist und ich hätte durchaus, hätte ich damals den Texten mehr Bedeutung zugemessen, zu der Erkenntnis gelangen können, daß „The Karelian Isthmus“ kein Reich der Fantasie oder die medizinische Bezeichnung für einen Hexenschuß ist, sondern jenes Landstück zwischen Sankt Petersburg und Finnland, das Finnland im Winterkrieg 1939 bis 1940 an die damalige Sowjetunion verlor.

Wie dem auch sei, die bisher sechs Mal zur glücklichsten Stadt der Welt gekrönte Hauptstadt Finnlands sollte unser diesmaliges Reiseziel sein mit Hauptziel, den Helsinki Marathon zu laufen. Besondere Erwähnung an meine mir Liebste, die hier ihren ersten internationalen Halbmarathon bestreiten wird. Ich hoffe, wir können uns beide schlußendlich glücklich schätzen…
Bereits am Donnerstag sollte unsere Anreise sein, denn die erschwinglichen und daher gebuchten Flugverbindungen limitierten unsere Zeit und so kamen wir am frühen Nachmittag am phänomenalen Flughafen an. Ja, ein phänomenaler Flughafen. Ansonsten, nun ja, sind sie zumeist so, wie, nun ja: eh alle. Ein wenig etwas mehr steril, Glas und Stahl und so viel Grautöne, als müsse man alle RAL-Farben von 7000 bis 7048 irgendwie unterbringen. In Helsinki hingegen gibt es sogar einen kleinen Indoor-Park, spannende Deckenkonstruktionen und der Weg zu den Zügen ist sehr spannend gelöst.
Apropos Züge, es war ein Vergnügen, in Helsinki zu reisen. Es waren ganze 4,40 Euro, die uns vom Flughafen bis direkt zum Hotel brachten. Im Vergleich dazu der Vienna City Express, der mit 14,90 Euro den Flughafen Wien Schwechat mit Wien Mitte verbindet.
Für Touristen interessant sind natürlich Zeitkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel. Diese kosten für den ersten Tag 10 und für jeden weiteren Tag 5 Euro. Mit dabei sind auch etliche Fährverbindungen, was das Reisen in der Stadt und den zugehörigen Inseln sehr erschwinglich macht.
Ach, und unser Hotel. Zuvor möchte ich anmerken, daß ich etwas ins Schwärmen gerate, was nicht unbedingt oft der Fall ist, aber: Ach! Das Hotel. Es nennt sich AX, befindet sich im Stadtteil Jätkäsaari und ein Drache lugt über dem Eingang aus dem Hotel auf die Straße. Das AX wurde bereits zum „Leading Design Hotel“ in Finnland gewählt und erfüllt dahingehend alle Wünsche. So wie ganz Finnland selbst hat sich auch das AX der Nachhaltigkeit verschrieben und in diesem Falle waren wir durchaus gewillt, dieser Behauptung zu glauben. Das AX ist Kunst und Design, etwas ausgefallen aber niemals so, daß das Design die Behaglichkeit schmälern würde. Etwas verwundert waren wir über den Fakt, daß es keine Duschtrennwände, sondern nur Bodenabläufe gibt – und einen Schrubber, mit dem man dann den Boden entwässern kann. Hat was von wässrigem Zen-Putzismus.
Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten, erkundeten wir den Stadtteil Jätkäsaari, den es in der heutigen Form noch gar nicht so lange gibt. Früher war hier ein Containerhafen und ein Industriegebiet. Seit 2010 allerdings entsteht hier ein neues Stadtviertel, das im Vergleich zu 2005 mit rund 2.300 Einwohnern auf aktuell ca. 15.600 Einwohner angewachsen ist. Einen ersten Eindruck bekamen wir auf dem Weg, vorbei an einer Großbaustelle, zu einer kleinen, eher zufällig entdecken, frei zugänglichen Terrasse auf dem Dach eines Einkaufszentrums – auf dem noch dazu ein Kampflugzeug des Typs MiG-21BS steht…
Baustellen sind unvermeidlich in einem Stadtentwicklungsgebiet, aber die Ergebnisse fanden wir größtenteils bereits sehr gelungen und das meiste ist, bis auf einige brach liegende Grundstücke, bereits bebaut. Gefälliges Design, viel Grünflächen, Platz für Radfahrer (und Zustellroboter) und kaum öffentliche Parkplatzflächen. Mehr dazu nach der später erfahrenen Offenbarung.
Wir näherten uns der unten abgebildeter Struktur, und wir fragten uns: Was ist das? Was macht das? Tut es weh? Will es nur spielen oder beißt es? Nun, es war ein Parkhaus. Und irgendwie, etwas sehr viel später noch aber doch, erkannten wir den Grund, warum es dort so angenehm war: es gab (so gut wie keine) oberirdischen Parkplätze. Sämtliche Infrastruktur für das Abstellen von Kraftfahrzeugen war unterirdisch oder in Parkhäusern. Ein quasi autofreier Stadtteil. Es war leise, es war angenehm und es war sauber. Tatsächlich lag so gut wie kein Müll irgendwo auf irgendeiner Straße. Es gab sehr gut beschriftete Trennsysteme in der Nähe aller öffentlichen Orte und ausreichend Abfalleimer für zwischendurch. Wenn ich das, wieder, mit Wien vergleiche, möchte ich am Liebsten weinen, denn: in Wien gibt es genug Mülleimer, genug Trennsysteme, alleine: ein höherer Prozentsatz der anwesenden Personen hält sich nicht daran. Es wäre mir peinlich gewesen, hätte ich dort auch nur irgendetwas fallen gelassen…
Wir schlenderten herum und ich möchte die Bilder für sich sprechen lassen, denn wie erwähnt ist ein teilweise noch in Entwicklung befindlicher Stadtteil, dessen vollendete Bereiche jedoch größtenteils sehr hochwertig wirken – unabhängig vom persönlichen Geschmack. Es gefiel mir sehr gut und natürlich ist nicht jedes Gebäude dem Pritzker-Preis würdig, aber ich denke, daß hier die Stadtplanung sehr gute Vorgaben gegeben hat, die durch die Architekten bestmöglich erfüllt wurden.
Essen war auch noch so ein Thema, das berührt. Weil es zumeist das Trio der Logie ist von: Pipi, müde und … Hunger! Wir entschieden uns aus dem Bauch heraus für das „Santa Clara Restaurant & Bar“ und wurden von einer – und das bildete die einzige und mit großem Abstand führende Ausnahme – des Englischen noch viel, viel weniger mächtigen (aber freundlichen!) Person bedient, als wir es selbst sind. Das Essen war okay ohne überragend zu sein, das Ambiente war nett ohne zu glänzen; kurz: wir haben gegessen und wurden satt.
Inzwischen war es Abend geworden und unser Hotel AX inzwischen beleuchtet und damit war es das auch schon mit dem heutigen, ersten Tag in Helsinki. Hyvää yötä.
