Niederlande 2025 – Tag 4 – Amsterdam
Wir verließen also Den Haag wieder ohne wirklich etwas gesehen zu haben. Das ist natürlich übertrieben, aber dennoch war der Besuch für uns etwas enttäuschend, da 5 von 6 Sehenswürdigkeiten, die wir angesteuert hatten, entweder geschlossen, überlaufen oder nicht so sehenswürdig waren, wie es uns die diversen Reiseplattformen, die man online so findet, mit Hochglanzbildern weisgemacht hatten.
Amsterdam, wir kommen! Venedig des Nordens wird es auch genannt aber zuallererst bekamen wir den Bahnhof Amsterdam Zuid zu sehen, wo unser Zug aus Den Haag hielt. Von dort aus straßenbahnten wir unseren Weg zum Clayton Hotel, das direkt am Leidseplein lag und nachdem wir sogar frühmorgens schon unser Zimmer beziehen konnten, machten wir uns auf, um die vielgepriesenen Grachten zu bewandern.
Die Erkenntnis, daß das Gebäude, welches ich für fotografierenswert hielt, das Luxushotel Rosewood Amsterdam beinhaltet, kam erst am übernächsten Tag im Rahmen einer Grachtenrundfahrt, aber da das Bild heute schon gemacht war: Rosewood-Gäste residieren im ehemaligen Justizpalast an der Prinsengracht und es ist derzeit „nur“ ein 5-Stern-Hotel, welches nach Fertigstellung des Hubschrauberlandeplatzes auf dem Dach jedoch zu einem 6-Stern-Hotel aufgewertet werden soll. Ganz so luxuriös hatten wir es natürlich nicht, aber auch unser Hotel wird noch eine gewisse Erwähnung finden.
Wir statteten als brave Touristen dem schwimmenden Blumenmarkt einen Besuch ab. Gegenüber ist ein kleiner Geheimtipp, nämlich das Restaurant „Blue Amsterdam“. Es ist über ein Einkaufszentrum erreichbar und über selbigem gelegen und bietet einen schönen Rundblick auf die Stadt. Am Munttoren (Münzturm) vorbei gelangten wir zur Kirche St. Peter und Paul, eine „versteckte Kirche“. Die unübliche Verzierung in Form eines Vogels stammt aus der Zeit der Reformation, als Katholiken ihre Kirchen nicht offen bewerben durften. Die Kirche war von der Straße zurückgesetzt und davor befand sich ein profanes Gebäude, nämlich das eines Vogelhändlers. Somit wurde die Kirche bekannt als „De Papegaai“ (Der Papagei).
Auf den Besuch des Beginenhofes habe ich bestanden, es ist der einzige im mittelalterlichen Amsterdam gegründete „Hofje“, eine Wohnsiedlung der Beginen. Diese waren so etwas wie eine Ordensgemeinschaft aus Laien und sie lebten nach den Regeln der Armut, der Keuschheit und des regelmäßigen Gebetes, wie nachzulesen ist. Dennoch bewohnten sie wunderbar gestaltete Anlagen, in diesem Fall einen der ältesten noch erhaltenen Grachtengärten Amsterdams. Die an die 800 Jahre andauernde Geschichte der Beginen endete am 14. April 2013, als die letzte Begine Marcella Pattyn im Alter von 92 Jahren verstarb. In Amsterdam war das bereits am 23. Mai 1971 der Fall, als die letzte dort ansässige Begine Agatha Kaptein im Alter von 84 Jahren ihren irdischen Aufenthalt beendete.
Abgesehen von der schönen Architektur des Ensembles aus 47 Stadthäusern, der Begijnhofkapel sowie der Kirche findet sich dort das (fast) älteste noch erhaltene Holzhaus Amsterdams, das so genannte Houten Huys, welches sich auf 1528 datieren läßt. Älter ist nur ein weiteres Gebäude in Warmoesstraat, das allerdings hinter einer Fassade aus dem 19. Jahrhundert verborgen ist, 1485 errichtet wurde und erst 2012 wiederentdeckt wurde.
Es ist ruhig im Hof der Beginen, und die Gebäude sind privat bewohnt. Am Eingang wird man höflich aber bestimmt darüber informiert, daß daher lautes Sprechen sowie das Fotografieren mit (in meinem Fall nur professionell anmutenden) Kameras „verboden“ ist. Dadurch entstand ein wenig Neid auf die Ultraweitwinkel-Handykamera der mir Liebsten, die meine Sony Xperia XZ3 in den tiefsten Schatten stellte…
Beim Rundgang stolpert man förmlich über eine Grabstelle mitten am Weg. Es ist das Grab von Cornelia Arens, die am 14. Oktober 1654 verstarb und auf eigenen, ausdrücklichen Wunsch hin „in der Gosse“ statt in der „entweihten Kapelle“ begraben zu werden wünschte. Der Legende nach wurde ihr dieser Wunsch erst erfüllt, nachdem ihr Sarg dreimal aus der Kapelle verschwand und an besagter Stelle „in der Gosse“ wieder auftauchte.
Danach erkundeten wir den Dam, Hauptplatz der Stadt und mit Gebäuden wie der Nieuwe Kerk (Neue Kirche), Paleis op de Dam (Königlicher Palast) oder dem Gebäude, das seit 1917 eine Filiale von Peek&Cloppenburg sowie Madame Tussauds Amsterdam gesäumt. Ins Auge sticht auch das ehemalige Amsterdamer Hauptpostamt, das heute das Einkaufszentrum Magna Plaza beinhaltet. Es wurde 1895 – 1899 im neugotischen und Neorenaissance- Stil erbaut und zum Rijksmonument erklärt. Trotz dem imposanten Äußern und dem prinzipiell nicht weniger imposanten Inneren verfügt das Einkaufszentrum über mehr leerstehende als geöffnete Geschäfte. Schade.
Direkt daneben befindet sich eine der vielen Albert Heijn Filialen, auf dessen Stufen wir uns einen Mittagssnack vergönnten, bevor wir die Ekundung via Beurspassage fortsetzten. Die Passage entstand bereits 1893, aber die heutige Gestaltung erst 2014 durch den Künstler Arno Coenen, der die so genannte Amsterdam Oersoep (Original Amsterdamer Suppe) schuf. Wir bahnten uns unseren Weg in Richtung Fährterminal, kämpften zuvor noch mit dem Charging Bull, der nach dem Original in New York, einer nicht autorisierten Kopie im chinesischen Ningbo und einem weiteren Original in Shanghai der dritte Skulptur dieser Art des Künstlers Arturo Di Modica ist und 2012 unweit der ehemaligen Börse aufgestellt wurde. A propos Streetart, das Monument einer weiblichen Brust ließ das Herzchen unseres Pfertis höher springen als müsste es einen Oxer überwinden.
Wir erreichten das eindrucksvolle Gebäude des Hauptbahnhofs, der 1889 eröffnet wurde und eine Kooperation des Architekten P. J. H. Cuypers und dem Ingenieur A. L. van Gendt ist. Wie bereits andere zuvor erwähnte Gebäude wurde auch das Tor zur Stadt im Stil der Neorenaissance gehalten. Er ruht auf rund 9000 Holzpfählen, nebenbei bemerkt. Es öffnet sich der Blick auf das gegenüber liegende Ufer von Amsterdam Noord, wo unser Ziel, A’DAM Lookout, bereits auszumachen war. Die Fährfahrt ist gratis, ebenso der Anblick von Jenna Ortegas Darstellung von Wednesday Addams auf einem der dortigen Boote, nicht jedoch der Besuch des Restaurants, wofür alleine schon zu bezahlen gewesen wäre, um es bzw. den Aufzug überhaupt betreten zu dürfen. Das fanden wir dann doch etwas zu viel des Guten und schlumpften wieder zurück.
Es war immer noch Zeit diverse kleinere und größere Sehenswürdigkeiten abzuklappern, wobei der Flair der Stadt selbst mit all den Grachten und immer wechselnden Aus- und Einblicken an und für sich bereits sehenswert war. Wir kamen am „Het Kleinste Huis“ vorbei, das als kleinstes Haus Amsterdams gilt. Mit 2,02 Metern Breite und 5 Metern Tiefe hat es eine bebaute Fläche von etwas mehr als 10 Quadratmetern, was vermutlich bereits im Errichtungsjahr 1738 wenig gewesen sein dürfte. Nun, für schmale Häuser mit großen Fenstern ist Amsterdam ja bekannt, nicht ganz so bekannt ist der Grund dafür. Besteuert wurde damals nämlich die Breite des Hauses (daher je schmäler, desto günstiger) und die Anzahl der Fenster (daher je weniger, desto günstiger). So entstand aus steuerlichen Gründen die heute charakateristische Optik der zumeist nicht nur schmalen, sondern aus bautechnischen (Holzpfahlgründung) und organisatorischen (Seilwinde am Giebel für Lastenbeförderung) in alle möglichen Richtungen geneigte Gebäude.
Die „Tanzenden Häuser“ sind das wohl meistfotografierte Beispiel dieser Auswirkungen. Ein weiteres vielfotografiertes Ensemble stellen die so genannten „Sieben Brücken“ dar, sieben baugleiche Brücken, die sich hintereinander aufreihen. Keine Grachtenbootstour ist denkbar ohne einen Blick darauf.
Über die „Magere Brug“ gelangten wir zu einem Ort, den ich erst im Zuge des morgigen Besuches thematisieren möchte. Bis dahin noch ein paar Impressionen unseres Spaziergangs.
Als Hobbyfotograf und notorischer Geraderücker schief aufgehängter Bilder war Amsterdam für mich zum Verzweifeln. Es scheint nicht möglich zu sein, ein gerades Bild zu machen. Hier ein Beispiel von Gebäuden, die sich jeglichem Lot und rechtem Winkel zu verweigern scheinen…

Nun aber, wie angekündigt, zu unserem Hotel. Das auch nur American Hotel genannte Clayton Hotel Amsterdam American liegt am
Leidseplein direkt neben dem Stadttheater. Es beinhaltet das berühmte Café Américain, in dem wir am nächsten Tag auch unser Frühstück einnehmen würden. Dieses wiederum verfügt über den ältesten Lesetisch Amsterdams, ein netter Fakt für nebenbei.
Es hat eine durchaus wechselhafte Geschichte. Beginnend mit der Ersterbauung 1882, einem Neubau 1902, der inzwischen unter Denkmalschutz steht, und diversen Umbauten und Erweiterungen war es unter Anderem im Besitz der InterContinental Gruppe und danach 3 Jahre lang ein Hard Rock Hotel.
Wichtiger aber in historischem Kontext ist die Tatsache, daß die berühmte Tänzerin Margaretha Geertruida Zelle, besser bekannt als legendäre Doppelagentin und Spionin Mata Hari, dort 1895 ihre erste Hochzeitsnacht verbracht hat. Weniger erfreulich verlief der Hotelaufenthalt von Roy Adkins, eine bekannte Figur der Londoner Unterwelt und Drogendealer, denn dieser wurde am 28. September 1990 in den Räumlichkeiten des Hotels ermordet. Ich hoffe, wir sind mehr Mata Hari und weniger Roy Adkins.
Diesen Abend wollten wir, nach den eher internation orientierten Speisen der vergangenen Tage, etwas eher typisch niederländisches versuchen. Wir kamen auf Stamppot, also Kartoffelpüree mit diversen Zutaten und in meinem Fall mit Fleischauflage, im Fall der mir Liebsten mit gehaktballen, also Fleischbällchen. Lekker.

Das Rijksmuseum Amsterdam mit seiner umfangreichen Sammlung alter Meister war schon geschlossen, aber wir bewunderten die Architektur, warteten darauf, daß zur vollen Stunde irgendetwas aus der Uhr springen würde, was nicht geschah, und schlenderten den Museumplein hinab, vorbei am Van Gogh Museum und entlang der Kunstinstallation Zero Flags Project wieder zurück. Im Rahmen der Amsterdam Pride, die sich mit ihren bunten Fahmen bereits im Stadtbild verankert war, aber erst am nächsten Wochenende stattfinden sollte, macht das Zero Flags Project Länder sichtbar, in denen Homosexualität immer noch unter Strafe, bis hin zur Todesstrafe, steht. Beschämenderweise sind 63 Flaggen zu passieren, unter Anderem beliebte Urlaubsländer wie Ägypten, Indonesien, Jamaica, die Malediven, Marokko und Tunesien, um nur ein paar zu nennen.
Die blaue Stunde nahte und so machten wir uns auf, abendlich fotogene Motive zu finden. Meine mir Liebste überraschte mich mit der Aussage: „Du, Schatz, wir waren ja noch gar nicht im Rotlichtviertel.“ Ich war der hoffnungsvollen Zuversicht, daß ich trotz meines enorm fortgeschrittenen Alters wohl noch ein paar Mal die Möglichkeit erhalten werde Nackedeis zu sehen und plädierte darauf, doch die Stadt weiter zu erkunden. Und so begaffte ich statt rot erleuchteter Brüste gelb beleuchtete Brücken.