Niederlande 2025 – Tag 3 Den Haag
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Bilderberg Parkhotel Rotterdam schlumpften wir wieder in Richtung Bahnhof und fuhren mit den äußerst bequemen niederländischen Zügen weiter nach Den Haag, dem Regierungssitz der Niederlande. Oder fuhren wir nach ’s-Gravenhage, wie Den Haag offiziell heißt? Man weiß das als Tourist nicht so genau, jedenfalls sind beide Namen gültig und für den Reisenden ist Den Haag relevant, da so angeschrieben, während ’s-Gravenhage so etwas wie die interne Bezeichnung darstellt.
Wie auch immer, auf dem Weg zum Hotel kamen wir, unter Anderem, bei der unten abgebildeten Skulptur vorbei. Die Skulptur steht auf der Straße Kalvermarkt und zeigt eine androgyne Figur mit einem Mischwesen auf dem Kopf. Nun ein Geheimnis, das eigentlich eh keines ist: ich benutze die Google-Bildersuche um mir unbekannte oder entfallene Reiseziele benennen zu lassen. Funktioniert zumeist sehr gut.

Es soll sich also laut künstlicher Intelligenz – oder ist es noch eine künstliche Unintelligenz? – um eine Bronzeskulptur von Alfred Hrdlicka aus den Jahr 1988 handeln und diese soll sich in der Wiener Neustädter Innenstadt befinden, genauer: in der Herzog-Leopold-Straße vor dem Alten Rathaus. Als Quelle wird „allgemeines Wissen“ angegeben. Aha, kann ja man nicht so sein… Weitere Recherchen offenbaren, daß es sich eigentlich um die Skulptur einer niederländischen Künstlerin namens Femmy Otten handelt und den Titel „And Life Is Over There“ trägt.
Als leibhaftiger Wiener Neustädter ist mein Interesse jedoch geweckt und tatsächlich waren Werke von Hrdlicka 1994 im Rahmen des Jubiläums „800 Jahre Wiener Neustadt“ in Selbiger ausgestellt. Leider konnte ich dazu keine Bilder finden und bis auf alte Zeitungsberichte, die textlich ident waren, nur ein antiquarisches Buch namens „Skulptur – […] Wiener Neustadt, Hauptplatz. 29. April -25.Mai 1994“. Das wiederum betrübt mich, da ich im Mai 1994 13 Jahre alt war und mich ungern mit Antquariaten gleichgesetzt sehen will. Andererseits findet sich bereits der Walkman im Museum, von daher: ich bin nicht alt, ich bin antik und kann mich daher mit der nächsten Skulptur „Dutch Mechanisms“ des niederländischen Künstlers Folkert de Jong ebenfalls identifizieren.

Der Fußmarsch vom Bahnhof zum Hotel führte uns an der Nieuwe Kerk (Neue Kirche) vorbei, durch die Passage, zum Het Oude Stadhuis (Altes Rathaus) und der Grote of Sint-Jacobskerk (Große Kirche zu Sankt Jakob).
Erste echte Station sollte der Binnenhof werden, seines Zeichens seit 1446 Sitz des niederländischen Parlaments und eigentliches Zentrum der Stadt selbst, da sich Den Haag um den Binnenhof herum entwickelte. Gut für den Binnenhof aber schlecht für den Touristen ist der Fakt, daß das Gebäudeensemble seit 2021 einer umfassenden Renovierung unterzogen wird. Zwar gäbe es ein Informationszentrum, aber meine mir Liebste und ich waren uns einig, daß wir diese Station auslassen, wenn wir nicht den Gebäudekomplex selbst, der in etwa 4.000 Zimmer, Räume, Kammern, Säle, Flure, Dachböden und Keller auf einer Gesamtgrundfläche von fast 90.000 Quadratmetern umfasst, besichtigen können. Immerhin erklommen wir einen Baustellenaussichtsturm und dieser Ausblick ist das einzige Zeugnis unserer dortigen Präsenz – Bewegungsprofile von Google mal hintangestellt…
Dies war Reinfall Nummer 1 von 1 Sehenswürdigkeiten.

Möwen sind allgegenwärtig in den küstennahen Städten und ich liebe ihre Geräusche, die sich für mich so anhören als würden sie über die Menschen lauthals lachen. Aber nicht alle Möwen wissen, daß sie Möwen sind. In Rotterdam saßen wir mit unserem Mittags-Snack auf einer bankähnlichen Konstruktion, die an Wiener Enzis erinnerte, und ich schwöre: die Möwe hat miaut. Hier ein Prachtexemplar, das zugehörige Geräusch möge man sich entsprechend selbst auditiv visualisieren:

Nach dem ungesehen gebliebenen Binnenhof taten wir weiter Schritt um Schritt um zum Palais Noordeinde, dem Dienstsitz des niederländischen Königs, zu gelangen. Was reimt sich auf gelangen? Schlangen. Eine dieser Dinger, bestehend nicht aus Schuppen sondern aus Menschen, hatte sich vor dem Tor des 1533 errichtete Gebäudes gebildet. Übereinstimmend kamen wir zur Überzeugung, daß wir uns nicht gefühlt „ewig“ anstellen wollten sondern doch lieber das Flair der Stadt erleben anstelle des Odor der Schlangenmenschen.
Dies war Reinfall Nummer 2 von 2 Sehenswürdigkeiten.
Nach diesen Fehlschlägen fanden wir dann doch etwas, das nicht nur offen war sondern uns beide interessierte: Escher in Het Paleis. Abgesehen davon, daß sprachliche Parallelen mit – in diesem Fall ganz sicher – unterschiedlichen Bedeutungen aus dem ursprünglichen niederländischen Namen „Lange Voorhout Paleis“ einen deutschen Schenkelklopfer machen, sind Werke von dem Ausnahmekünstler M. C. Escher zu bewundern. Jeder hat schon mal irgendwo Escher gesehen auch wenn der Name vielleicht nich allen Menschen geläufig ist. Seine Metamorphosen sind schon großartig, seine Jugendwerke sind bereits höchst ansprechend aber Berühmtheit erlangte er unter Anderem durch perspektivische Unmöglichkeiten wie z.B. Wasserfall oder Relativität. Auf Fotos der Kunstwerke verzichte ich hier ganz bewusst, dies kann man sich gerne selbst ersuchmaschinen. Der Palast selbst ist auch eine Augenweide und war das Stadthaus von Emma zu Waldeck und Pyrmont, ihres Zeichens zweite Ehefrau Wilhelms III. und somit Königin der Niederlande. Prominent in Szene gesetzt sind auch Kroleuchter des Rotterdamer Künstlers Hans van Bentem.
Den Haag ist auch als Sitz des Internationalen Gerichtshofs bekannt, der im so genannten Friedenspalast ansässig ist. Diesen wollten wir unbedingt sehen, nicht nur aufgrund seiner Bedeutsamkeit für die vermeintlich zivilisierte Menschheit, sondern auch weil er architektonisch recht hybsch ist. Zwar hätte man für ein zukunftsweisendes Gebäude Anfang des 20. Jahrhunderts nicht unbedingt auf stilistische Mittel der Renaissance zurückgreifen müssen sondern sich – wie in den modernen Niederlande – etwas trauen können. Meine mir Liebste, die Den Haag bereits bereist hatte, berichtete im Vorfeld, daß der Eintritt in den Park gratis wäre und so wackelten wir durch die Gassen von Den Haag bis zum Carnegieplein, wo auch die Weltfriedensflamme ein touristisch beachtetes, politisch jedoch leider zunehmend wertloses Dasein fristet.
Jedenfalls kamen wir um ca. 16:30 zu dem Visitor’s Center, nur um feststellen zu müssen, daß erstens nur noch bis 17:00 geöffnet ist, der Park aber ohnehin nicht mehr gratis zu besuchen ist und ausschließlich Führungen und keine idividuelle Besuche mehr möglich sind. Somit war dies Reinfall Nummer 3 von 4 Sehenswürdigkeiten…
Mist. Nun gut, wir haben ja ohnehin noch etwas mehr ausgesucht, das wir besuchen wollten. Ich fand auf Google Maps noch einen in direkter Nähe gelegenen alten jüdischen Friedhof mit dem Vermerk „durchgehend geöffnet“. Vor verschlossenen Toren stehend suchten wir nach dem „echten“ Eingang, fanden nebenbei heraus, daß eine Voranmeldung erforderlich ist oder es alternativ dazu vorab buchbare geführte Touren gibt. Wieder nichts. Reinfall Nummer 4 von 5 Sehenswürdigkeiten. Dezent enttäuscht und gleichzeitig etwas verärgert ob unserer nicht ausreichenden Vorbereitungen stapften wir unbeirrt weiter, und zwar 5 Kilometer weit – um genau zu sein.
Ein Strand muß her, zur Entspannung nämlich! Gut, daß Den Haag mit dem Scheveningen Strand einen zur Verfügung hat. Vielen Dank aber auch. Die Bilder von Google Maps oder Instagram oder was auch immer waren sehr vielversprechend. Und so gingen wir. Wir gingen den Scheveningseweg entlang durch den Scheveningsepark und durch Oud Scheveningen durch um zum Scheveningen Strand zu gelangen. Der erste Blick war vielversprechend, Skulpturen und Sand und Meer.

Dann kamen wir zum Pier, auf diversen Onlineplattformen instagrammatisch gehyped. Es war als wäre man durch die Schlingen der Zeit durchgefallen und in Lignano der 1990er aufgeschlagen. Grauenhafte Imbiss- und Verkausfsbuden, optisch fragwürdige Hochhäuser mit Plattenbaucharme, ein ruinöses Einkaufszentrum… Immerhin, das Riesenrad gab es wirklich und wenn man von dem sich im Verfall befindlichen Steg absieht und das ehemalige Restaurant als bewundernswerten Lost Place einordnet, dann war das Ferry Wheel mit Bungy-Plattform und Zipline schon ganz okay. Für den stürmischen Wind konnte der Strand auch nichts und die diebischen Möwen haben uns so manchen Lacher entlockt und anderen so manche Pommes gestibitzt. Trotzdem war es ein sehr ernüchterndes Erlebnis und daran konnte für meine mir Liebste auch der Fakt, daß Bon Jovi im Grand Hotel Amrâth Kurhaus geweilt haben und 2010 am Strand ein Konzert gaben, nichts ändern. Reinfall Nummer 5 von 6 Sehenswürdigkeiten.
Am Weg zurück wollte ich wiederum etwas sehen und – siehe da – es war geschlossen. Das Atlantikwall Museum hätte mich nämlich schon interessiert aber so blieb nur der Blick von außen auf eine handvoll noch verbliebener Bunkeranlagen der ehemals 2685 Kilometer langen Verteidigungslinie. Reinfall Nummer 6 von 7 Sehenswürdigkeiten.

So gingen wir den ganzen weiten Weg zurück und waren schon sehr mit Vorfreude erfüllt, des Abendessens wegen. Wir wollten wieder in eine Foodhall, da uns die in Rotterdam sehr zugesagt hat. Hundemüde schleppten wir uns zu einer Foodhallen in der Nähe unseres Hotels. Leider war die vom kulinarischen Artensterben bedroht und die Auswahl der noch existierenden Lokale sagte uns auch nicht sonderlich zu. Also schlurften wir weiter und sagten uns, daß wir das Erstbeste, das wir finden und optisch für essenswert befinden würden, nehmen würden. So kamen wir zum Salsa Shop, einer Imbissbudenkette, die mexikanisch anmutende Speisen verkauft. Und siehe da, es war gut. Wir haben uns beide für eine Bowl entschieden und sie war köstlich.

Verdiente Ruhe fanden wir dann im Hotel Moxy The Hague und ich möchte ausdrücklich festhalten, daß wir von einer sehr freundlichen und sympathischen Angestellten begrüßt wurden und wir uns dort sehr wohl gefühlt haben. Hört sich an wie eine Plattitüde, stimmt aber.