35. Riga Marathon 2025

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Marathon-Tag! Um 5 Uhr morgens riß mich der Wecker jäh aus dem Schlaf. An den Wettkampftagen gibt es aber keine Schlummertaste zumal das Hotel so freundlich war an diesem Tag das Frühstück bereits ab 5:30 bereitzustellen, da der Start um 7:05 erfolgen sollte. Es regnete. Es war zwar nicht so kalt wie am Tag meiner Ankunft, aber das Thermometer lag im einstelligen Bereich von Grad Celsius.

Die Teilnehmerzahl war überschaubar, es gab beim Start keinerlei Anzeichen von Gedränge und auch keine Startblocks in die man sich einreihen mußte. Laut Ergebnisliste gingen etwas mehr als 2.600 Läufer über die volle Marathondistanz an den Start, während bei allen Bewerben insgesamt rund 40.000 Starter zu verzeichnen waren.

35. Riga Marathon 2025
35. Riga Marathon 2025

Die Strecke führte vom Lettischen Schützen Platz erstmal über die Arkmens Brücke und dann unter die Brücke durch eine Unterführung und – durch eine enorme Pfütze. Zack, nasse Schuhe nach noch nichtmal einem Kilometer. Es macht doch einen gewissen Unterschied ob die Treter nur angeregnet werden oder ob sie so naß sind, daß sie spürbar schwerer an den Beinen haften und eben jene gleich Kerkerketten nach unten ziehen.

Davon ließ ich mich anfangs jedoch nicht beirren und so flog ich, für meine Verhältnisse, förmlich durch den Stadtteil Āgenskalns, wo bei der 10 Kilometermarke eine 49:59 auf der Uhr stand. Über die Vanšu-Brücke ging es zurück über die Düna am historischen Zentrum Rigas vorbei. 15 Kilometer nach 1:14:28 passiert, Kilometerschnitt bei 4:56. Exzellent.

Weiter ging es in den Nordosten der Stadt in Richtung Zoo, der in einem großen Park eingebettet ist. Auf dem Weg dorthin überlief ich die Halbmarathonmarke in guten 1:43:13. Mathematik setzt ein und rechnet mir vor, daß das eine Marathonzeit von unter 3:30:00 bedeuten würde, könnte ich das Tempo halten. Verflixte Mathematik, kleiner Teufel auf meiner Schulter! Denn irgendwie machte ich mir nun doch Druck, denn eine weitere Verbesserung der Jahresbestleitung wäre sensationell.

35. Riga Marathon 2025
35. Riga Marathon 2025

Der Regen hatte immer wieder ausgesetzt und wieder von neuem begonnen nur um wieder aufzuhören. Es kam der Kilometer 30 und meinen heutigen Mann mit dem Hammer kann man sich als ein trotziges Kind vorstellen, das sich an meine Beine klammerte und sie immer schwerer werden ließ. Diese verflixten nassen Schuhe, die ich nun seit 2:30:02 an den Beinen hatte, machten sich bemerkbar. Ansonsten hatte ich konditionell keine Probleme, es ließ jedoch die Kraft nach, die nötig gewesen wäre, um die Schwungmasse weiter anzutreiben. (Ich bedanke mich meiner mir Liebsten für den Hinweis, daß voriger Satz einen erweiterten Infinitiv enthält. Was auch immer das ist: ich wußte gar nicht, daß ich das kann.)

Traditionell bekomme ich relativ wenig mit vom Rundherum, von den Zuschauern oder dem Rahmenprogramm – es sei denn es ist lauter als meine geliebte Musik in den Ohren. Und das, was man hier bei Kilometer 33 geboten bekam, war definitiv lauter als die Musik in meinen Ohren und der mächtigste Gänsehautmoment, den ich jemals bei einer Laufveranstaltung erlebt habe. Zwar hatte ich schon etliche schöne Zieleinläufe, in Athen beispielsweise oder in Luxemburg, zwar war ich von Freude und Stolz erfüllt auf den letzten Metern vom Mozart 100 anno 2018, aber der Moment beim Passieren des Freiheitsdenkmals wird mir immer erinnerlich bleiben. Links und rechts der Strecke säumten Chöre mit gefühlt je 100 Köpfen die Strecke und sangen, von Lautsprechern verstärkt quasi in Stereo, ein ergreifendes Lied, das ich zwar nicht kannte, aber mich in diesem Moment so sehr bewegte, daß ich vom Kopf bis zu den Füßen Gänsehaut bekam. Während ich diese Zeilen schreibe sind noch nicht alle Fotos der Veranstaltung online und ich hoffe inständig, daß es eines von mir an dieser Stelle gibt, so daß dieser ergreifende Moment auch visuell den Weg ins Gedächtnis findet.

Meine durchschnittliche Pace verringerte sich nichtsdestotrotz auf 5:27 zwischen Kilometer 30 und 35 und verlangsamte sich zwischen Kilometer 35 und 40 noch weiter auf 5:54. Da war es dann auch schon egal und ich sah keinen Grund mich für ein paar Sekunden auf oder ab unnötig zu quälen. Immerhin war das mein dritter Marathon in knapp vier Monaten, was nach meiner langen Laufabstinenz ja an sich schon ein bejubelnswerter Fakt ist, ganz unabhängig von irgendeiner Zeit. Nachdem es aber Läufern immer darum geht „unter irgendwas“ zu bleiben wollte ich gerne unter 3:40:00 bleiben. Das habe ich dann, einer irgendwie dann doch noch möglich gewesenen „Tempoverschärfung“ auf unglaubliche 5:38 min/km zum Dank, mit einer Nettozeit von 3:39:31, auch geschafft.

35. Riga Marathon 2025
35. Riga Marathon 2025

Zuerst schwang ein wenig Enttäuschung mit über die „schlechteste“ Zeit dieses Jahres, aber es war gleichzeitig auch die drittbeste Zeit seit 2019, dem Jahr meines letzten Marathons vor der Pause. Man kann sich alles schönrechnen. Schlußendlich kam ich mit mir ins Reine mit der Erkenntnis, daß alleine der Fakt, daß ich wieder imstande bin Marathons in dieser Zeit und dieser Häufigkeit zu absolvieren. weit über dem Fakt steht, daß es heute besser hätte laufen können.

Der 863. Rang über alle Altersklassen und Geschlechter hinweg katapultiert mich bei 2.664 Finishern immerhin ins unterste Ende des oberen Drittels der Teilnehmer. Was mich zum Schlußsatz meines Berichtes führt, leider aus den Tiefen des Internets gestohlen aber immerhin abgewandelt:

Wie lange braucht ein durchschnittlicher Marathonläufer für die 42,195 Kilometer lange Strecke?
Die Fragestellung ist unzulässig, kein Marathonläufer ist durchschnittlich.

35. Riga Marathon 2025 - Finisher-Medaillie
35. Riga Marathon 2025 – Finisher-Medaillie