Lettland 2025 – Tag 1 Riga
Anreise
Die ins Mikrofon genuschelten und traditionell kaum verständlichen Durchsagen des Flugzeugkapitäns passierten Hammer, Amboss und Steigbügel, ohne bewusst wahrgenommen zu werden. Nur „four degrees, rain“ blieb hängen – und erzeugte bei mir ein gewisses Unbehagen. Schließlich war ich auf dem Weg zum 35. Riga Marathon. Zwar hatte ich sowohl eine Laufregenjacke als auch eine normale Regenjacke im Gepäck, doch in der optimistischen Hoffnung verstaut, sie nicht zu benötigen. Ansonsten war ich gedanklich auf „Kurz-Kurz“ eingestellt.
Beim Landeanflug auf die lettische Hauptstadt prägte sich mir das Bild eines mäandernden Flusses ein – leider zu spät, um das Handy zu zücken und ein Foto zu machen. Durch die Wolken knipste ich immerhin erste Eindrücke der lettischen Wälder, die mehr als die Hälfte des Staatsgebiets bedecken; nach dem Marathon der zweite Grund meines Besuchs.

Startnummernabholung
Mit dem Bus Nummer 22 ging es in Richtung Innenstadt. Bevor ich zum Hotel weiterzog, holte ich meine Startunterlagen bei der angenehm übersichtlichen Marathonmesse ab – völlig ohne Wartezeit.

Hotel
Zufrieden, dass sie existieren, aber gleichzeitig frustriert, dass sie in Österreich nicht existieren, bestaunte ich die USB-Ports in den öffentlichen Bussen Rigas. Meine Wahl für das Marathonhotel war auf das St. Peter’s Boutique Hotel gefallen. Es liegt fast direkt am Rathausplatz und somit mitten im Herzen der Altstadt. Noch wichtiger: Es liegt beinahe direkt beim Start- und Zielbereich des Riga Marathons, den zu Laufen ich ja gekommen war.
Das Hotel war klein, aber für meine Zwecke völlig ausreichend. Ansprüche zu stellen liegt ohnehin nicht in meiner Natur, und ich war mit dem doch recht großen, wenn auch etwas spartanisch ausgestatteten Zimmer sehr zufrieden. Die allgemeinen Räumlichkeiten wollte ich mir am nächsten Tag noch genauer ansehen. Zunächst aber hieß es für mich: Ab in die Altstadt – seit 1997 UNESCO-Weltkulturerbe.
Altstadt Riga
Der Regen hatte inzwischen nachgelassen. Überall standen Pfützen, die ich für verschiedenste fotografische Spielereien nutzte. Ich hatte das Gefühl, mehr Spiegelungen als eigentliche Motive abzulichten. Und Motive gab es reichlich. Meine Reisevorbereitungen waren – zu meiner Schande – alles andere als gründlich gewesen. Doch gerade deshalb war ich umso überraschter vom abwechslungsreichen Stadtbild, das hinter jeder Ecke neue Perspektiven eröffnete und mich ständig aufs Neue staunen ließ.
Ich begann am Platz der Lettischen Schützen, auf dem sowohl das Denkmal der Lettischen Schützen als auch die Gedenkstätte für die Opfer der sowjetischen Besatzung stehen. Das in den 1970er-Jahren errichtete Gebäude, das heute das Lettische Okkupationsmuseum beherbergt, wirkt wie ein moderner Riegel vor der Altstadt und gibt erst beim Durchschreiten den Blick auf das im Zweiten Weltkrieg zerstörte und 1999 wiederaufgebaute Schwarzhäupterhaus am Rathausplatz frei.
Ich ließ mich durch die verwinkelten Gassen treiben, die sich immer wieder zu kleinen und größeren Plätzen öffnen. Die abwechslungsreiche Architektur – vom Mittelalter bis zur Moderne – fügt sich erstaunlich harmonisch zusammen. Ich hätte stundenlang Fassaden fotografieren können (und deren Spiegelungen) … und das habe ich an diesem ersten Nachmittag tatsächlich getan.
Etwas verwundert entdeckte ich die Bremer Stadtmusikanten neben dem Dom von Riga. Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, dass es sich um ein Geschenk der namensgebenden Partnerstadt handelt. Geschaffen wurde das Kunstwerk 1990 von der Künstlerin Christa Baumgärtel. Esel, Hund, Katze und Hahn blicken symbolisch durch den geöffneten Eisernen Vorhang – ein unerwartet passendes Motiv an diesem Ort.
Ein besonders charmantes Ziel war für mich – als selbsternannter Katzennarr – natürlich das sogenannte Katzenhaus. Auf den kleinen Turmspitzen des mittelalterlich anmutenden Gebäudes balancieren zwei schwarze Katzen. Der Legende nach hatte der erboste Erbauer ursprünglich die Hinterteile der Katzen provokant in Richtung der benachbarten Großen Gilde drehen lassen. Heute stehen sie etwas höflicher da. Die Katzen sind auf ungefähr der Hälfte aller Souvenirs zu finden, und ich konnte nicht widerstehen, mir eine überteuerte Miniatur mitzunehmen.
Berühmt ist auch das Ensemble der „Drei Brüder“, dessen Ursprünge bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen. Die Originalgebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und in den 1950er-Jahren rekonstruiert – der Optik tut das jedoch keinen Abbruch. Heute beherbergen die ehrwürdigen Häuser passenderweise unter anderem ein Architekturmuseum und die Denkmalschutzbehörde.
Am Abend nahm ich als einziger Gast in einem kleinen Kellerrestaurant unweit des Pulverturms Platz. Leicht irritiert bekam ich eine wilde Mischung serviert: pseudo-italienischer Gastgarten unter mittelalterlichen Kreuzgewölben, eine Kellnerin in Jogginghosen und Beschallung durch Discohits der 70er-Jahre. Schlussendlich kaute ich – zufrieden über diese gewisse Skurrilität – im Takt zu Baccara und den Bee Gees einen sehr guten Lachs mit Beilagen.
Inzwischen hatte der Himmel endgültig aufgeklart, und ich machte erste Bekanntschaft mit den langen Tagen in nördlicheren Breitengraden. Die Sonne wollte und wollte nicht untergehen. Als sie schließlich hinter der Vanšu-Brücke im Westen verschwand, dauerte es noch einmal eine gute Stunde, bis sich so etwas wie die Blaue Stunde einstellte. Trotz zunehmender Müdigkeit streifte ich nochmals durch die Gassen – auf der Suche nach Motiven, die sich in der Dämmerung besonders schön in Szene setzen ließen.























































