Der Ausstieg aus den sozialen Medien

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Ich bin in letzter Zeit verstärkt bemüht, die mir auf Erden gegebene Zeit sinnvoll zu nutzen. Man kann zwar argumentieren, dass die Präsenz in sozialen Medien – in meinem Fall Facebook und Instagram – nicht grundsätzlich sinnlos ist, besonders wenn man als Hobbyfotograf gerne Reisebilder teilt oder als Hobbyläufer über Wettkämpfe berichtet.
Doch in den letzten Monaten wurde die Diskrepanz zwischen sinnvoll genutzter und sinnlos verschwendeter Zeit immer größer.

Mein Facebook-Feed bestand zunehmend aus Werbung, Produktvorschlägen, mäßig lustigen Sprüchen, KI-generierten Bildern, Clickbait und Fakes. Inhalte von mir bekannten Personen? Kaum noch vorhanden. Der Abschied fiel leicht: Account gelöscht, App deinstalliert, fertig.

Schwieriger war hingegen die Trennung von Instagram. Seit 2017 dokumentierte ich dort unter shy.sweather mein Training, berichtete über Wettkämpfe, zeigte Klettersteig- und Wandertouren und postete Fotos, die mir gelungen erschienen. Wie die mir Liebste sagte: ein „Best of“ eines Teils meines Lebens.

Instagram: in memoriam shy.sweather
Instagram: in memoriam shy.sweather


Über Instagram habe ich zudem Menschen kennengelernt – digital und manchmal sogar im echten Leben. Diese Verbindungen zu kappen tut mir durchaus leid. Ich habe viele interessante und unterhaltsame Profile entdeckt, denen ich wirklich gern gefolgt bin. Doch die Zeit, die ich – oft unbewusst – damit verbrachte, endlos zu scrollen, bis ich endlich etwas Lustiges oder Interessantes fand…

Laut Statista waren Österreicher*innen im dritten Quartal 2023 im Schnitt 5 Stunden und 31 Minuten täglich online, davon etwas über 1,5 Stunden in sozialen Medien. Eine enorme Menge. Meine eigene Nutzungszeit kann ich nur schätzen, doch alles zusammengerechnet – das „schnelle Reinschauen“ über den Tag verteilt – komme ich wohl auf Ähnliches. Rund 90 Minuten täglich also, die ich nun sinnvoller nutzen kann.

Letzte Woche, an einem Montag, kam ich nach der Arbeit nach Hause. Montag ist trainingsfrei, draußen war es nebelig, kalt und finster. Ich stand vor der Wahl: irgendeine neue Serie bei Netflix oder Prime anfangen, die mich nicht wirklich interessiert, weil ich die guten Serien bereits gesehen habe? Oder doch Instagram öffnen und ein paar Videos schauen?
Ich entschied mich fürs Buch – John Dickie, Die Freimaurer. Der mächtigste Geheimbund der Welt – und las 50 Seiten. Ein besser investierter Abend.

Nach zwei Wochen ohne Facebook, das mir überhaupt nicht abging, stand ich also vor der Frage: konsequent sein und Instagram löschen oder behalten? Ich scrollte etwas wehmütig durch meine Beiträge und machte es mir damit nicht leichter: mein erster Ultra-Marathon, der Abschiedspost von meinem Kater Mister Monki, ein Liebeskummer-Posting, neue Marathon-Bestzeit, Erinnerungen an den ersten Urlaub mit der mir nun Liebsten…

Am Anfang meiner Instagram-Zeit gab ich mir viel Mühe. Kaum ein Training fand ohne Kamera oder GoPro statt, und ich bearbeitete die Bilder anschließend am PC oder Handy. Ein Influencer wäre ich zwar nie geworden – wollte ich auch nicht –, aber es machte mir Spaß. In den letzten Monaten jedoch verflog dieser Spaß. Meinen letzten Laufbericht „musste“ ich noch am selben Tag schreiben, ob ich wollte oder nicht – denn das verlangt Instagram. Aus Spaß wurde ein Zwang.

Und dann ertappte ich mich wieder dabei: gedankenlos durch Stories zu wischen.
Heute war schließlich der Punkt erreicht – und ich habe meinen Instagram-Account gelöscht. shy.sweather ist Geschichte.

in memoriam shy.sweather